Eine
der letzten Amtshandlungen in Llica: zwei junge Lehrer
empfingen das Sakrament der Firmung vom Ortspfarrer mit
Erlaubnis des Bischofs. |
Am
meisten „litt“ unter dem Ende der Ära „Padre Krämer“ die
Pfarrjugend. Doch haben viele inzwischen verstanden, das
Abschiednehmen nicht nur ’was Trauriges ist, vielmehr auch Freude
über das gemeinsam Erreichte bedeuten kann. Meine 15-jährige
Missionsarbeit in dieser Pfarrei hinterlässt, denke ich, eine
lebendige Gemeinde mit vielen sichtbaren Spuren des unter uns
wachsenden Reiches Gottes, und nicht nur in Form von Kapellen oder
sonstigen Bauwerken. Die Jugend- und Studentenseelsorge hat doch
schon viele Früchte getragen und wird sie weiterhin tragen.
Einige von euch werden den Reisebericht von Voxtours, eines
deutschen TV-Privatsenders, über den Salar, Llica und die Pfarrei
gesehen haben, der Mitte November vergangenen Jahres ausgestrahlt
worden war. Ich habe inzwischen auch eine DVD davon erhalten und mir
den Film angeschaut: ein amüsanter, wenn auch im Blick auf die
Pfarrei nicht sehr tief schürfender Bericht; das, was eben ein
Unterhaltungsprogramm bieten muss, um eingeschaltet zu werden. Für
mich ist’s eine nette Erinnerung an meine Zeit in Llica. Mit großer
Wahrscheinlichkeit wird die Pfarrei Llica wieder von Uyuni aus
mitverwaltet, wo ebenfalls ein neuer Pfarrer angefangen hat. |
Das Semester an der Fachhochschule „Franz Tamayo“ begann Mitte
Februar mit der gewohnten „Unnormalität“ oder in anderen Worten, mit
einem Trauerspiel. Derweil die Studenten eingetrudelt sind, ist drei
Wochen nach Semesterbeginn noch unklar, wer die Dozenten sein
werden. Die Interessenten müssen sich erst noch einem vom
Erziehungsministerium ausgeschriebenen Auswahlverfahren unterziehen,
was dauernd verschoben wird. So verbringen die knapp 800 Studenten
und Studentinnen die Zeit eben mit Sportturnieren oder
Arbeitseinsätzen fürs Bürgermeisteramt. Sie helfen Strommasten
setzen für die Elektrifizierung Llicas, füllen Schlaglöcher in
unseren schlechten Strassen aus usw. Ende April soll dann die
Olympiade aller bolivianischen Fachhochschulen für Lehrerausbildung
in Llica stattfinden. Sogar der Präsident Evo wird zum Eröffnungsakt
erwartet. Vorbereitungen für diese Großveranstaltung, an die 1000
Studenten, Lehrer sowie andere Gäste werden erwartet, fanden bislang
kaum statt. Zunächst hat es ja noch keine bestätigten Dozenten,
weiter fehlt es an Sportstätten, hygienischen Einrichtungen, auf
einen Nenner gebracht: beinahe an allem. Ja, und irgendwann müsste
wohl auch noch etwas studiert werden.
Meine Jahre als Dozent ad honorem an selbiger Institution möchte ich
bei all dem erlebten Durcheinander nicht missen, haben sie mir doch
tiefe Einblicke in das Innere des „magisterio boliviano“, also der
bolivianischen Lehrerschaft, gewährt und dazu eine zahlreiche
Pfarrjugend beschert. Inzwischen ist auch der auf meine Fürsprache
von der deutschen Botschaft in La Paz grundfinanzierte Kindergarten
auf dem Gelände der Normal mit kirchlichem Segen und Llamablut
eingeweiht worden. Den andinen Opferteil zu Ehren der Pachamama, der
Mutter Erde, hatten sie bereits im Morgengrauen getätigt, sehr zum
Unmut eines aus Potosí angereisten Vertreters der Regierung des
Departamentes. Dem wäre Blut lieber als Weihwasser gewesen.
Der Pfarrclub Bayern Munich wird natürlich weiter bestehen und hat
auch schon einen neuen jüngeren Präsidenten. Man muss lassen können,
bevor einem genommen wird, heisst’s so schön. Der neue Vorstand ist
jetzt auf der Suche nach einem neuen Torwart, da ich ja nicht mehr
zur Verfügung stehe. Oliver Kahn beendet seine Profi-Karriere mit
vierzig, ich jetzt eben meine Hobby-Karriere mit Anfang fünfzig.
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In der von tiefen Schluchten durchzogenen neuen Pfarrei Esmoraca werde
ich dann lernen müssen, unter Bergleuten , also den „mineros“, zu
leben und ihnen das Evangelium nahe zu bringen. Das wird ebenfalls
nicht einfach sein, da unsere Mineros in einer ihnen eigenen von
Gebräuchen und Riten bestimmten Welt leben und arbeiten. Um
erfolgreich zu sein, also auf reiche Mineraladern zu stossen, müsse
man sich mit dem Tio, dem Minengeist, gut verstehen. In Form eines
Teufelchens findet man sein Figürchen an den Eingängen zu den
Stollen. Der Tio verschenkt seine Dienste natürlich nicht, er
verlangt auch ’was dafür. So werden ihm Alkohol, Kokablätter und
Blut als Opfergaben dargebracht. Und zu diesen Bergleuten mit meist
kinderreichen Familien muss der neue Pfarrer von Esmoraca nun eben
einen Zugang finden. Doch wohnt jedem Neuanfang ein Zauber inne und
auch habe ich noch nicht das Alter von Abraham, als dieser
fünfundsiebzig jährig von Ur in Mesopotamien nochmals zu Neuem nach
Kanaan aufbrach. Derweil die Minen in den Bergen liegen, betreiben
andere in den von Flussläufen durchzogenen Schluchten
Ackerbau und Viehzucht.
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die Pfarrkirche „San
Francisco“ von Esmoraca
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In der Regenzeit
werden diese Bächlein zu gefährlich reissenden Flüssen, die
schon manchen Lastwagen mitgenommen haben. In Esmoraca und
Mojinete, die grösseren Orte in der Pfarrei, gibt es dann auch
Schulen bis hin zum Colegio, einer Art Gymnasium. Dort gedenke
ich wieder ehrenamtlich Religionsunterricht zu erteilen.
Derweil das Pfarrhaus in Esmoraca bald bewohnbar sein wird, es
fehlen nur Dusche und Klo im Haus, befindet sich die dem Hl.
Franz geweihte Pfarrkirche in einem erbärmlichen Zustand. Diese
werde ich wohl im Laufe der Jahre auch mit eurer Hilfe, liebe
Freunde, renovieren.
Meine Amtseinführung als Pfarrer von Esmoraca findet am 27.
April durch den Weihbischof von Potosí, Monseñor Ricardo
Centellas, statt. Ich lasse mich also ins Amt einführen, wie es
in der Erzdiözese Freiburg einem Dekan gebührt.
Im letzten Rundbrief erwähnte ich als möglich weitere zu
übernehmende Pfarrei in dieser Gegend Talina. Ein dort einige
Monate wirkender konfliktiver argentinischer Priester hat diese
Pfarrei aber derzeit „unbesetzbar“ gewirtschaftet. Um seiner
Versetzung zu entgehen, hatte er einige Gruppen auch gegen den
Bischof von Potosí mobilisiert. Endlich gegangen, hinterließ er
einen Scherbenhaufen.
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Abbau der
Antenne |
Prof Raul
unvergessliche Personen |
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Viele
von euch unterstützen meine Missionsarbeit mit ihrem Gebet sowie
solidarischen Spenden und erwarten natürlich auch ein persönliches
Dankeswort, was oft lange auf sich warten lässt. Grund dafür ist
aber nicht meine Schreibfaulheit, als vielmehr die schleppend
funktionierende Post. Briefe vom Hauptpostamt in La Paz brauchen bis
zu 4 Wochen nach Deutschland. Und viele eurer Weihnachtsbriefe
erhielt ich um Karneval herum. Wie dem auch sei: allen lieben
Wohltätern und Förderern meiner Missionsarbeit an dieser Stelle
wieder ein HERZLICHES VERGELT’S GOTT. Optimal funktioniert hingegen
das Emailen an DIETKRAM@YAHOO.DE , da geht nichts verloren.
Zum Schluss noch ein Wort zur großen Politik. Eine neue
Staatsverfassung wurde inzwischen von der Regierungspartei MAS, der
„Bewegung zum Sozialismus“, sowie ihren Alliierten verabschiedet,
welche bei der Mittelschicht aufwärts wenig Sympathien findet. Und
da die Dialogfähigkeit in unseren Breiten allgemein unterentwickelt
ist, löst ein sozialer Konflikt den anderen ab. Kirche spielt dabei
aber keine große Rolle mehr, da Religion nach der neuen
sozialistischen Ideologie Privatsache zu sein hat.
Euch allen wünsche ich ein GESEGNETES OSTERFEST sowie FROHE
PFINGSTEN!
Den nächsten Brief erhaltet ihr nicht mehr wie bisher zu Mariä
Himmelfahrt, dem Pfarrfest Llicas, sondern zum Pfarrfest Esmoracas,
zum Fest des Hl. Franziskus von Assisi, am 04. Oktober.
Nochmals mit herzlichen Grüßen und in Dankbarkeit
Padre Dietmar Krämer
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Abbau des Fernsehsenders Llica Canal-11 |
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