Vorausgegangen
war und ausgelöst hatte diese Entscheidung ein kurzer Besuch beim
Bischof in Potosí, der mir eigentlich nur eine Bescheinigung für die
Erneuerung meines bolivianischen Personalausweises ausstellen
musste. Bei dieser Gelegenheit fragte er mich wieder einmal, ganz
nebenbei und humorvoll, ob ich denn wirklich „ewig“ in Llica bleiben
möchte; natürlich nicht. Zudem ist’s immer besser, noch bei
Beliebtheit zu gehen als mal gegangen zu werden bzw. selber zu
agieren als zu reagieren. Nach dem eucharistischen Kongress in
Uyuni, Mitte Oktober, hatte ich mir die neue Stelle dann einmal
angeschaut. Von Llica war es über Uyuni und Atocha nach Tupiza
gegangen, das sind so knapp 400 km, und von dort die restlichen 130
km in einer fünfstündigen Berg- und Talfahrt nach Esmoraca. Der
erste Eindruck war „niederschmetternd“: einfache, aus roten
Lehmbacksteinen erbaute Häuser und eine recht heruntergekommene
Pfarrkirche, die dem Hl. Franziskus geweiht ist. Da fiel mir spontan
die Christusvision des Hl. Franz in San Damiano ein: „Franz, stelle
mein verfallenes Haus wieder her“; gemeint war’s auch im
spirituellen Sinne. Das Pfarrhaus ist hingegen in besserem Zustand.
Wie dem auch sei, schließlich gewann dann mein missionarisches
Charisma Überhand und Esmoraca als neue Aufgabe und Herausforderung
begann mich zu interessieren. Zur neuen Pfarrei gehören auch einige
Minen. In der Regenzeit ist der Pfarrsitz wegen der ihn umgebenden
Flüsse wohl kaum mit dem Auto zu erreichen. Natürlich bieten sich
für einen Neubeginn auch andere, geordnetere Pfarreien an, darunter
war Uyuni vom Bischof ins Gespräch gebracht worden Einen Wechsel
erschwert die Tatsache, dass Llica nach mir mit großer
Wahrscheinlichkeit keinen Pfarrer mehr vor Ort haben und so
wiederum von Uyuni aus pastoriert werden wird. Priestermangel ist
auch bei uns zu spüren. Doch hatten die Menschen hier immerhin über
10 Jahre lang die Möglichkeit, Kirche und christliches Leben
kennenzulernen und so in einer lebendigen Pfarrgemeinde mitzumachen.
Und wer davon Gebrauch gemacht hat, wird auch ohne Pfarrer vor Ort
diesen Weg weitergehen. Pfarrei ist mehr als religiöses „Versorgtsein“.
Neugierige
unter Euch werden schließlich noch wissen wollen, wann der Umzug
stattfindet. Im November und Dezember, also vorm Einsetzen des
Regens, möchte ich schon mal für ein paar Wochen in Esmoraca
verweilen, um das Pfarrhaus mit Helfern aus Llica in einen
bewohnbaren Zustand zu versetzen. Trotz mehr als 20 Jahren Leben in
der Mission hat man eben gerne ein Klo und eine Dusche im Haus. Dass
es dort weder Strom noch Telefon gibt, bin ich ja von Llica her
gewohnt. Dann gilt es als Altlast ein so genanntes
„Krankenwagen-Problem“ zu lösen. Die Redemptoristen in Tupiza
hatten dem Hospital in Esmoraca eine Ambulanz gesponsert, welche die
Krankenhausverwaltung aber hat verkommen lassen. Daraufhin wurde der
Wagen dem Hospital eben wieder weggenommen, was zu Verstimmungen
auch in der Bevölkerung geführt hat. Und wenn schließlich alles klar
ist, muss nur noch der Hausrat, einige Möbel, nicht zu vergessen
der pfarreigene Fernsehsender Canal 11 - meinen Fußballclub
Bayern Munich lasse ich im Hinblick auf mein Alter in Llica zurück -
ins 530 km entfernte neue Domizil gekarrt werden. In Anbetracht der
Tatsache, dass der Salar bald unter Regenwasser stehen wird und
reißende Flüsse den Zugang zu Esmoraca erschweren, wird der Umzug
wohl nicht vor Ostern 2008 abgeschlossen sein. Mitte Oktober fand in
Uyuni der lange und intensiv vorbereitete eucharistische Kongress
der Pastoralzone Salar statt, an dem neben den beiden Potosiner Bischöfen
auch der Bischof von Calama in Chile teilnahmen. Llica war mit
einer Abordnung von 30 meist jugendlichen Teilnehmern vertreten. Das
dreitägige Treffen hatte die Erfahrung der Emmaus-Jünger zum
Leitwort: „Und sie selbst erzählten … wie sie ihn beim Brotbrechen
erkannten“ (Lk 24,35). In Workshops für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene wurde das Thema Eucharistiefeier behandelt und
vertieft. Höhepunkte des Tages waren die gemeinsamen Gebetszeiten
sowie die abendliche Messfeier. Der Kongress schloss mit einem
feierlichen und gut besuchten Gottesdienst in der Sporthalle Uyunis
sowie einer Prozession mit dem Allerheiligsten durch die Strassen
Uyunis. Bei diesem Kongress lernte ich durch Zufall auch einen
Schweizer Priester kennen, der in der Mission arbeiten möchte.
Versteht sich, dass ich ihm Llica schmackhaft zu machen versuchte
und ihn dann auch für ein paar Tage nach dorthin mitnahm.
Umzug
hin, Umzug her, das Pfarrleben in Llica verläuft davon zunächst
unberührt in seinen geordneten Bahnen. Die Erstkommunionfeier steht
noch an und zu Semesterende soll der von der Deutschen Botschaft auf
meine Vermittlung hin finanzierte Kindergarten auf dem Gelände der
Lehrerausbildungsstätte endlich eingeweiht werden.
Über die Pfarrgrenzen hinaus findet meine jahrelange Präsenz an der
Normal „Franz Tamayo“ als ehrenamtlicher Dozent im Fach Ethik und
Moral sowie die damit verbundenen Früchte in Form von
kirchlich aufgeschlossenen, jungen Lehrern Anerkennung. So traf ich
auch im entlegenen Esmoraca drei aus der Normal „Franz Tamayo“
hervorgegangene Lehrer, die meine Schüler waren. Die Mühen dort
waren also nicht umsonst. Inzwischen hat es auch eine neue
Studentengewerkschaft, die bezüglich der Pfarrei wieder
versöhnlichere Töne anschlägt.
Einige von Euch werden inzwischen auch den im letzten Rundbrief
angekündigten Reisebericht von VOX-TOURS über den Salar, Llica und
die Pfarrei im Fernsehen gesehen haben und so noch besser informiert
sein. Die deutsche TV-Zeitung HÖR ZU beschrieb mich liebevoll in
ihrem Hinweis auf die Sendung als „den fußballnärrischen deutschen
Geistlichen“. Tja, wer zu „normal“ ist, kommt eben nie ins
Fernsehen. Für Esmoraca muss ich mir natürlich ’was Neues einfallen
lassen.
Im
„Kampf gegen den internationalen Imperialismus“, so der offizielle
Sprachjargon, hat Bolivien einen weiteren Verbündeten gefunden. Nach
einem Besuch des iranischen Präsidenten in La Paz waren feierlich
mit diesem Land diplomatische Beziehungen aufgenommen
worden, derweil die Yankees, also die Staatsbürger der USA, jetzt
für Bolivien Einreisevisen mit Angabe einer genauen Reiseroute
benötigen, also, den Pakistanis, Indern, Chinesen etc.
gleichgestellt wurden. So ändern sich die Zeiten. Auch flatterten
kürzlich im Winde Llicas kubanische und venezuelanische Fahnen
anlässlich einer Feier zum Sieg über den Analphabetismus in unserer
Provinz.
Doch stehen pfarrliche Arbeit und
kirchliche Präsenz über der Tagespolitik mit ideologischen
Floskeln und Moden. Und so möchte ich an dieser Stelle wiederum
allen lieben Freunden herzlich danken, die durch ihre materielle
Solidarität und ihr Gebet dazu beigetragen haben, dass es in Llica
eine lebendige Pfarrgemeinde gibt und auch weiterhin geben wird. Und
auf diese Eure Solidarität bauend, soll auch in Esmoraca lebendiges
Pfarrleben erblühen.
Bei uns auf der südlichen Erdhalbkugel
beginnt der Sommer und entsprechend sind die weihnachtlichen
Gebräuche und Gefühle natürlich andere. Doch eint uns im Norden wie
im Süden die Freude über die Geburt des Jesuskindes in Bethlehem,
von dem wir als Christen die Erlösung und Heilung unserer Welt
erwarten. Sich schnell wandelnde politische Ideologien doktern daran
nur herum.
Ich wünsche Euch allen besinnliche Tage
im Advent, ein FROHES WEIHNACHTSFEST sowie ein GUTES UND
GESEGNETES NEUES JAHR 2008, auch bei guter Gesundheit.
Die Funkamateure unter Euch wird es
bestimmt freuen, dass ich in Esmoraca wieder häufiger QRV sein
möchte, da ich dort von der Außenwelt noch mehr abgeschnitten bin
als in Llica. So hatte ich in La Paz kürzlich schon meine
abgelaufene CP-Funklizenz erfolgreich erneuert. Bei der Aufstellung
der Antennen wird mir mein Pfarrnachbar, P. Claus Braun, CP4BT, aus
dem nur 130 km Luftlinie entfernten San Pablo de Lipez bestimmt
helfen. Mit dem Auto sind es zu ihm allerdings mindestens 5 Stunden
Fahrt.
Nochmals mit herzlichen Grüßen und in Dankbarkeit
Padre Dietmar Krämer |