Rundbrief aus Llica Februar 2006
Liebe
Missionsfreunde!
Da
wir Padrecitos über Karneval normalerweise nicht
sehr gefragt sind, habe ich die nötige Zeit, um
meine Ostergrüße in den Computer, bzw. aufs Papier
zu bringen. Ich hoffe, ihr seid alle soweit wohlauf!
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Auch der
Padrecito bleibt mal im Dreck stecken
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Was
Bolivien in den vergangenen Wochen mal kurz ins
Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gebracht hat, war
eben die Wahl von Evo, so sein Kosename, zum neuen
Präsidenten Boliviens, und das als
Indio. Seine Amtseinführung vollzog sich
dann Mitte Januar in einer Weise, die seiner
Wählerschaft eben gefallen sollte. Priester des
Sonnengottes Inti übernahmen diesmal die religiöse
Untermalung des Staatsaktes, Kirche war nicht
gefragt, und den Amtseid legte er, wie es sich für
einen Sozialisten gehört, mit geballter Faust ab.
Anzug und Krawatte sind bei Ministern aus den
verschiedenen Gewerkschaftsgruppen nun durchweg
verpönt. Seine erste Auslandsreise noch vor der
Amtseinführung führte ihn nach Kuba, wo er in Fidel
Castro, eigentlich ein ausgelaufenes
Revolutionsmodell, seinen geistigen Vater grüsste.
Nach anfänglichen Verstimmungen mit den USA bemühen
sich beide Seiten wieder, zu erträglichen
Beziehungen zurückzufinden. Auch das Bolivien der
Revolution verschmäht die Dollars nicht. Ja, und an
Karneval tanzte seine Exzellenz dann in den Strassen
Oruros, der Karnevalshochburg Boliviens, als Clown
verkleidet. Eine seiner ersten Amtshandlungen war,
die Gehälter der Regierungsmitglieder,
einschließlich seines eigenen, sowie der
Abgeordneten herunterzustufen. Sein Vorgänger
brachte es auf einen monatlichen Grundgehalt von
3.500 Dollar, er will mit knapp 2.000 Dollar
auskommen; das brachte ihm weitere Pluspunkte ein.
Ein erster Eindruck ist: Von allem etwas, wobei bei
solch einer bunten Regierung mit
absoluter Mehrheit im Kongress natürlich auch alles
möglich ist. Und da man Wert auf so genannte
Basisdemokratie legt, ist Teil des neuen
Regierungsstils, dauernd Meinungen, bzw.
Entscheidungen zu ändern, entsprechend der Stimmung
auf der Strasse. Hauptziele der neuen
sozialistischen Regierung sind die
Industrialisierung der Kokapflanze, die
Verstaatlichung der Ergas- und Erdölvorkommen des
Landes sowie die Ausarbeitung einer neuen Verfassung.
Letztere wird dann Klarheit darüber bringen, wohin
das Land nun wirklich geht.
Diese meine Kommentierung ist natürlich durch die
Brille eines Gringos gesehen. Die
Mehrzahl der Bolivianer ist indianischer Abstammung
und sieht in Evo endlich mal einen der Ihren an
der Spitze. Ob der Sozialist ist oder Inti Sol, den
Sonnengott, bzw. die Pachamama, die Mutter Erde,
verehrt, ist nicht von Bedeutung. Wichtig ist für
den Campesino, dass es ihm bald mal etwas
besser geht, und da setzt man eben auf Evo.
In Llica hat die Revolution, so eine
beliebte Interpretation des Wahlausgangs, den Alltag
bislang nicht verändert, auch wenn dank der
Studentenschaft an die 75 % für Evo und sein
Movimiento al Socialismo gestimmt haben.
Am Tag nach der Wahl meinten einige Anhänger der MAS
voller Stolz, dass wir hier nun die Wiege der
Revolution sind. Kürzlich fuhr ich auf dem Weg
zum Militärposten hinter einem chuto,
also einem illegal von Chile nach Bolivien
eingeführten Auto her und sah am Schlagbaum, wie der
Fahrer dem Wachposten ein paar Geldscheinchen
rausreichte, um dann, Schmuggel hin, Schmuggel her,
weiterfahren zu können; also ein Bild wie in alten
Zeiten. Eine wirkliche Erneuerung des Landes braucht
neben politischen Reformen eben auch bestimmte
Änderungen in der Mentalität der Menschen, und da
sind wir von der Kirche, denke ich, nach wie vor
gefragt.
Mitte Januar war ich mit Bayern Munich in
der chilenischen Nachbarstadt Pica zu einem
Sporttreff gewesen. Nachdem die nachbarschaftlichen
Beziehungen besser geworden sind, können Bolivianer
nach Chile und umgekehrt mit dem Personalausweis
einreisen. Unter WWW.LLICA-BOLIVIEN.DE findet ihr
einen Reisebericht mit Fotos.
Starke Regenfälle haben von Mitte Januar bis Mitte
Februar praktisch den ganzen Verkehr in der Provinz
lahm gelegt. Gerade für diese Zeit, also um Maria
Lichtmess ( Darstellung des Herrn ) herum, hatte ich
aber viele Einladungen zu Messfeiern in den Dörfern
der Pfarrei erhalten. Und da ich trotz der schlechten
Straßenverhältnisse nicht nein sagen
wollte, passierte dann, was das Foto links oben
zeigt: Der Padre blieb eben auch mal im Dreck
stecken. Es ging dann zu Fuß weiter. Im besagten
Dorf erwarteten mich viele Leute, erstaunt darüber,
dass der Padre neuerdings zu Fuß ankommt. Schnell
war dann ein Traktor organisiert und mit dessen Hilfe
zogen wir das Pfarrauto aus dem Flüsschen. Nach
einer Katzenwäsche in einer Hütte vor der Kapelle,
denn das Arbeiten in einem Flussbett hinterlässt
eben Spuren, begann dann die feierliche Messe.
Versteht sich, dass man als Zelebrant nicht mehr ganz
so fit war. Aber das gehört eben zum Missionarsleben
dazu.
Mein bisheriger Mitarbeiter, der Seminarist Herberth,
studiert in Cochabamba Theologie weiter. Für ihn kam
vor kurzem Luis Alberto aus Uncía, einem Städtchen
im Norden des Departamento Potosí. Er wird den
Religionsunterricht am Colegio übernehmen und auch
sonst in der Pfarrei mitmachen.
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Am
Karnevaldienstag, martes de
challa, wird in ganz Bolivien der
Besitz begossen |
Ich
werde vermutlich weiterhin an unserer Fachhochschule
im Einführungssemester das Fach Ethik und
Moral unterrichten, auch wenn der neue
Erziehungsminister zum Besten gegeben hat, dass der
Unterricht entkolonialisiert werden muss.
Und dabei könnte er ja auch an die Kirche gedacht
haben. Das neue Verhältnis von Kirche und Staat ist
noch völlig ungeklärt. Die bolivianische
Bischofskonferenz hält sich zur neuen Lage zurück,
auch wenn der Kardinal von Santa Cruz, Julio
Terrazas, kürzlich meinte, dass Bolivien keine neue
Ideologie brauche, vielmehr mehr Solidarität unter
seinen Bürgern.
Auf dem Gelände der Fachhochschule ist auf meine
Initiative hin der Bau eines Kindergartens für den
Nachwuchs der Studentenschaft geplant. Unsere 700
Studenten bringen es immerhin auf knapp 80 Kids im
Vorschulalter, für die bislang keine Unterbringungs-
bzw. Förderungsmöglichkeit besteht. Das Projekt
soll größtenteils über den Sozialfond der
Deutschen Botschaft in La Paz laufen.
Was gibt es sonst noch zu berichten. Den
Bürgermeistern ist in unseren Höhen oft nur ein
kurzes Wirken beschert. Nach dem ley de
municipalidad können sie nach einem Jahr
bereits durch einen anderen Stadtrat ersetzt werden.
So wurde kürzlich der ganze Stadtrat einschließlich
Bürgermeister in Uyuni zum Teufel
gejagt. Aber auch der Alcalde von Llica kämpft
ums Überleben. Er ist in der Tat nicht sehr
dynamisch, aber immerhin freundlich und kommt
gelegentlich auch zum Sonntagsgottesdienst. Derweil
sein eventueller Nachfolger genauso wenig fähig sein
wird, und dazu noch recht herrisch auftritt und mit
Kirche überhaupt nichts am Hut hat. Versteht sich,
dass ich auf Nummer 1 setze: unfähig, aber fromm.
An Weihnachten haben viele von euch wieder an uns
hier gedacht, sei es mit einem lieben Brief, einer
Email sowie einem Missionsscherflein. Allen Freunden
der Pfarrei Nuestra Señora de la
Asunción ein HERZLICHES VERGELTS GOTT
für die bezeugte Solidarität. Dank eurer Mithilfe
ist Pfarrleben hier möglich und bezeugt in einer
Welt, bestimmt von materieller und geistiger Armut,
von Warenschmuggel und Drogenhandel, von Alkoholismus
und Sexualisierung, dass der Mensch nicht vom
Brot allein lebt, sondern von jedem Worte, das aus
dem Munde Gottes kommt (Mt 4, 4).
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Im Weihnachtsbrief
hatte ich schon erwähnt, dass in diesem Jahr
mein Silbernes Priesterjubiläum ansteht,
welches ich auch in der Heimat etwas
nachfeiern möchte, auch wenn es
natürlich noch kein Goldenes ist; sin
embargo, algo es algo. Von Mitte
September bis Mitte Dezember werde ich also
wieder mal in Deutschland weilen. Der
Jubiläumsgottesdienst soll am Sonntag, den
22. Oktober 06, um 11:00 Uhr in der Herz Jesu
- Kirche in Freiburg stattfinden.
Dort habe ich damals meine Primiz gefeiert.
Im nächsten Rundbrief, Mitte August, werdet
ihr alle, die Freunde Llicas, dazu herzlich
eingeladen. 25 Jahre Priester und immer noch
mit Freude bei der Arbeit, dafür muss man
Gott danken und das darf auch etwas im
Freundeskreis gefeiert werden. Mein
Primizspruch hat ja auch die Freude zum
Thema: Heute ist ein heiliger Tag zu
Ehren des Herrn, unseres Gottes. Seid nicht
traurig und weint nicht! Macht euch keine
Sorgen; DENN DIE FREUDE AM HERRN IST EURE
STÄRKE! ( Neh 8,9b. 10b ). 23 Jahre meines
priesterlichen Dienstes habe ich in der
Missionskirche gewirkt, darin sah und sehe
ich eben mein CHARISMA. |
Ich
muss zum Schluss kommen. Die lieben Spender zu
Weihnachten mögen sich mit einem persönlichen
Dankeswort noch etwas gedulden, mir fehlen die
Auszüge der Missionsprokur. Ein Brief über den
großen Teich braucht derzeit bald drei Wochen. Und
sofern ihr was von Briefmarken versteht, seid
mir nicht böse, wenn ihr auf dem Brief noch eine
Weihnachtsmarke vorfindet. Die werden derzeit eben in
Uyuni verkauft. Wegen des für kleinere Autos
unpassierbaren Salares lasse ich mir die Sachen von
Uyuni schicken und die lieben Freunde dort sind eben
nicht in allen so beflissen. Zudem habe man auf der
Post in Uyuni gesagt: Der Padre freut sich bestimmt
über religiöse Motive; nun, Briefmarke ist
Briefmarke, wie Evo eben Evo ist. Dafür wurden sie
mit viel Hingabe aufgeklebt. Der Student Elias, im 6.
Semester, also Abschlusssemester der Lehrerschule,
hat zum ersten Mal in seinem Leben, so gestand er
mir, Briefmarken geklebt. Was man doch im Pfarrhaus
alles lernen kann.
Ich wünsche euch allen kleine Erfolge auf dem Wege
der Umkehr und Erneuerung in den Wochen der
österlichen Bußzeit und dann ein FROHES und
GESEGNETES OSTERFEST!
Mit herzlichen Grüssen und in Dankbarkeit
Ihr Padre Dietmar
Krämer
zu
meinen neuen Seiten
Direcciones:
P. Dietmar Krämer,
Casilla 194, Tupiza, Bolivien